Sigtryggur Berg Sigmarsson [IS]
The Important Little Man Show 2006 laboratorium Allianzgebäude am Ostbahnhof Video + Sound + Text + Illustration + Lounge-Installation
Klasse Ulrich Eller Braunschweig
Sigtryggur Berg Sigmarsson, Performance in Ungarn
Sigtryggur Berg Sigmarsson ist sich meist selbst ein Grauen.
Als Isländer trinkt er viel. Oft treten seine Lebensweisheiten bei Erreichen
des »Vakuum-Punkts« zutage. Siggys Lebensgrundlage ist die heikle
Balance von Leben und Tod auf der stets dem unvermeidlichen Tod sich finster
entgegen neigenden Waage. Wie er mir gegenüber bemerkte, liegt ihm horror
vacui auf der Seele wie ein vierköpfiges Pferd, das in alle Richtungen
zugleich strebt und seinen gefesselten Körper zu zerreißen droht.
»Masse und Gewicht der Leere müssen umfasst werden, in uns haust
das Grauen, es frisst uns und zerstört uns jede Sekunde. Dem Vakuum des
Lebens kann man nicht entkommen.« Bei all ihrer Finsternis erweist seine
Musik dem Krautrock vorsichtig Reverenz, vor allem der Gruppe »Cluster«.
Dann zeigt sich eine leichter, eher heitere Seite, wo Siggy gut als »Schimpanse
im belaubten Baum« durchgeht. Dennoch: sobald die Musik vorbei ist,
oder wenn ihre rhythmische Spannkraft nachlässt, umfasst ihn wieder der
horror vacui. »Ich glaube, wenn ich gar keine Freunde mehr hätte,
alle meine »Cluster«-Platten weg wären, oder wenn ich zu
alt wäre, etwas ›Vernünftiges‹ zu tun, dann wäre
es das Beste, eine Satellitenfirma schießt mich ins All, oder Aliens
entführen mich, um irgend einen leblosen Planeten zu verseuchen.«
Dieser mörderische Überdruss, diese Verzweiflung in seinen Klängen
kommt sicherlich teilweise aus Wilhelm Aschmertz’ Studio in Berlin,
wo er eine Zeitlang geradezu gehaust hat. Ständig hört man den kalten
Nordwind blasen oder irgend einen Staubsauger im Hintergrund. Er hat einen
Sound erreicht, der klingt wie sein Magenbrummen oder die Zersetzung seiner
Leber. Langsam lässt er finstere Eisklumpen in deine Ohren wandern, und
irgendwann versetzen dich seine Erzeugnisse wirklich in Angst und Schrecken.
»Für uns Isländer gehört der Tod einfach dazu, als Ende
einer langen Feier. Und für mich ist der Tod eine Feier, ich drehe ihn
um und treibe ihn wieder ins Leben.« [Auszug aus: Bonnie Banks Brutalsfx,
San Francisco 2005]
Sigtryggur Berg Sigmarsson, geboren 1977 in Island. Er studierte 1998-2003 Klangkunst an der Fachhochschule Hannover (Meisterschüler von Ulrich Eller) und 1997-1998 am Royal Conservatory in Den Haag Sonologie/Elektronische Musik. International Ausstellungen und Performances. Sigmarsson ist Langzeit-Mitglied der Band Stilluppsteypa. Seine Arbeit auf CD, die verschiedentlich als Collage, leise Bass-Manipulation, als ruhig und minimal bezeichnet wurde, bietet eine Palette stiller kontemplativer Momente, die mit reibungsreicheren (wenn auch nicht unbedingt geräuschhafteren) kontrastiert werden.
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