Reinhard Blum/Uwe Bressnik | cv |
Große Freiheit 2003/2006 Exhibition
Akademie der Künste am Pariser Platz
VW-Bus, Baujahr 1972, abgeschliffen, Schleifintarsien, Transparentfarbe, Einbrennlackierung, Netzraster. Dank an ARBÖ, Firma Schlögl aus Braunau am Inn, Iwan, Christianson.
VW-Bus, Baujahr 1972, abgeschliffen, Schleifintarsien, Transparentfarbe, Einbrennlackierung, Netzraster. Dank an ARBÖ, Firma Schlögl aus Braunau am Inn, Iwan, Christianson.
[Christian Höller Zu Große Freiheit]
2003 präsentierten Reinhard Blum und Uwe Bressnik ihre erste künstlerische
Version eines Tour-Busses. Mit speziell bearbeiteter Oberfläche und
semitransparenten Fenstern verweist das gut dreißig Jahre alte Gefährt
auf eine Reihe von Zusammenhängen, die von Freiheits- und Transgressionsdenken,
ja von kleinen und großen Überschreitungen einer »Revolutionierung
des Alltagslebens« geprägt sind.
Denn nicht bloß als praktikabler Bandbus findet das Fahrzeug (zumindest
potenziell) Verwendung. Auch als skulpturale Materialisierung einer Vielzahl
von Mythen, Pop und Alltagslegenden funktioniert es sowohl diesseits als
auch jenseits der Kunstraumgrenzen. Und so wie der spezielle Metallschliff
die Außenhaut zu einer Art Tabula rasa für allerlei Projektionen
macht, so prallen diese an der stark Licht reflektierenden Oberfläche
gleich auch wieder ab. So als wolle das Gefährt nicht länger die
ihm auferlegten historischen Schichten tragen. Wobei die Große Freiheit,
so der Name des Objekts, diese als Zeichenträger unabweislich mit sich
führt.
Geschichtlich betrachtet stellt der Bus ein geradezu prototypisches Vehikel
pop bzw. gegenkultureller Freiheits und Fluchtfantasien dar. »Further«
– bzw. »Furthur«, wie die Aufschrift genau lautete –
hieß der alte, mit Neonfarben bemalte Schulbus, mit dem Ken Kesey
und seine »Merry Pranksters« sich 1964 auf die Reise durch die
USA machten. »Weiter«, sowohl in Richtung einer besseren Zukunft
als auch in Richtung expandierter Bewusstseinsgrenzen, lautete die Stoßrichtung,
die in der Folge eine Vielzahl von Pop-Hymnen weiterverfolgten: Magic Bus
von »The Who« etwa oder Omnibus von »The Move«.
»The trip of your lifetime« versprach auch die Unternehmung,
zu der »The Beatles« 1967 in ihren knallgelben Reisebus mit
der regenbogenfarbenen Aufschrift Magical Mystery Tour einluden –
ein Versprechen, das zehn Jahre später von den »Sex Pistols«
(bzw. ihrem Grafiker Jamie Reid) kongenial parodiert wurde: »Nowhere«
bzw.»Boredom«, so hießen die einzig verbliebenen Reiseziele
auf einem berühmten Cover-Sujet (der Single Pretty Vacant).
Die ganze Bandbreite zwischen magischem Wunder und langweiligem Niemandsland
wurde in den 70er Jahren von einer flügge bzw. mobil gewordenen Jugend
auf ihren Trips kreuz und quer durch die Lande erforscht. Vielfach in genau
jenem Volkswagenfabrikat, wie Blum und Bressnik es dem (Auto)Friedhof der
Alltagsgeschichte entrissen haben. Indem sie die Farb- und Lackschichten
abtragen und gleichsam das Skelett des Busses freilegen, arbeiten sie sich
metaphorisch auch an jenem gegenkulturellen Ballast ab, mit dem der VW-Bus
historisch aufgeladen ist. Gleichzeitig helfen die speziellen Tiefeneffekte,
die der Metallschliff und die Gazeschichten nach außen hin erzeugen,
mit, ein Versprechen zu bewahren, welches das Vehikel scheinbar immer noch
in sich trägt.
Ob dieses mehr beinhaltet als den abstrahierenden Verweis auf vergangene
Mythen, gibt das Objekt selbst nicht preis. Aber wie stand schon am Heck
von Keseys »Furthur« geschrieben: »Caution: Weird Load«.