Tilman Küntzel | essay | cv |
Maßnahmen zur Instandhaltung des Klangkörpers
Fan und Klangwand 2006 Exhibition
Akademie der Künste am Pariser Platz Rauminstallation mit begehbaren Objekten, eine Schlafröhre mit Licht und Luftzufuhr, Teletext und frischem Wasser; Klangwand mit 64 Piezo-Lautsprechern, 64 Zuspieler; Defibrillator mit Sprachchip; Blutdruckmessgeräte mit Kontaktmikrophonen. Work in Progress
Akademie der Künste am Pariser Platz Rauminstallation mit begehbaren Objekten, eine Schlafröhre mit Licht und Luftzufuhr, Teletext und frischem Wasser; Klangwand mit 64 Piezo-Lautsprechern, 64 Zuspieler; Defibrillator mit Sprachchip; Blutdruckmessgeräte mit Kontaktmikrophonen. Work in Progress
[Michael Stoeber]:Maßnahmen zur Instandhaltung des Klangkörpers
Fan und Klangwand?
Zu unserem kollektiven musée auditive, das nicht Bilder, sondern
Klänge speichert, gehört zweifellos die sich vor Begeisterung
überschlagende Stimme des Radioreporters, der das Siegtor der deutschen
Mannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 in Bern verkündete.
Dieses lang gezogene »TooorTooorTooor« annoncierte mehr als
nur ein Tor. In ihm lag die unerwartete Wiederauferstehung einer im Zweiten
Weltkrieg bedingungslos geschlagenen Nation. Geschlagen nicht nur durch
den militärischen Sieg der Alliierten, sondern auch durch die vollständige
moralische Diskreditierung seiner selbst. Sportkämpfe und Fußballspiele,
Soziologen haben oft genug darauf hingewiesen, sind Ersatzkriege. Insofern
war Bern 1954 ein historisch bedeutendes Ereignis, das sein gültiges
akustisches Symbol im »Tor«-Gebrüll des deutschen Radioreporters
fand.
Tilman Küntzels künstlerisches Projekt für »sonambiente« 2006 operiert mit den agonalen Energien der aktuellen Fußballweltmeisterschaft. In seiner Klangwand hat er 64 Fußbälle wie Pokale installiert, die als skulpturale Metonymien alle Spiele der Fußballweltmeisterschaft repräsentieren. Darüber hinaus hört man aus den einzelnen Bällen collagierte Radioreportagen in den Landessprachen der gegeneinander stehenden Mannschaften. Wenn sich am Ende der Meisterschaft die Stimmen zu einem synchronen und energetischen Klangteppich verweben, ist darin der aggressive Kampf wie das friedliche Miteinander aller eingelagert. Küntzels Installation, in der sich auditive, plastische und performative Motive bündeln, ist charakteristisch für das Werk des Künstlers, das sich nicht von Gattungsgrenzen einschränken lässt.
Den kontemplativen ersten Part des Küntzel-Projektes ergänzt ein interaktiver zweiter Part. Auch deren installativen Dispositive fungieren als Referenten, die auf die Kräfte des Fußballereignisses verweisen. Ohne direkte Spiegelung ist der Fußball kritisch darin aufgehoben. Küntzels »Schlafröhre« bietet dem durch die Wettkämpfe psychisch gestressten Besucher eine temporäre Rückzugsmöglichkeit, die zugleich Temperatur und Temperament der Wettkämpfe charakterisiert. Küntzels »Blutdruck-Messstation« verweist auf die emotionale Belastung, welcher der Fan während der Spiele ausgesetzt ist. Und Küntzels »Defibrillator«, ein mobiles Gerät zur akuten Behandlung von Herzinfarkten, rückt den Ernstfall eines möglichen breakdown des Fans noch stärker vor Augen.
Die installativen Dispositive des zweiten Parts nennt der Künstler in seiner Projektbeschreibung Maßnahmen zur Instandhaltung des Klangkörpers Fan. Die sanfte Ironie, die in der Etikettierung des Fans als »Klangkörper« liegt, macht seine künstlerische Strategie deutlich. Die per Mikrophon in den Klangraum geschleusten Geräusche des Blutdrucks der Fans sowie die sprachlichen Anweisungen des »Defibrillators« für den Patienten-Notfall verbinden sich mit den erregten Live-Reportagen der Spiele zu einer eindrucksvollen akustischen Collage, in der die Leidenschaften der Akteure ebenso aufgehoben sind wie die der Zuschauer. So gelingt Tilman Küntzel mit seinem »Klangraum« das Kunststück, Glanz und Elend des Fußballs synästhetisch zu verdeutlichen und zu verdichten.
Tilman Küntzels künstlerisches Projekt für »sonambiente« 2006 operiert mit den agonalen Energien der aktuellen Fußballweltmeisterschaft. In seiner Klangwand hat er 64 Fußbälle wie Pokale installiert, die als skulpturale Metonymien alle Spiele der Fußballweltmeisterschaft repräsentieren. Darüber hinaus hört man aus den einzelnen Bällen collagierte Radioreportagen in den Landessprachen der gegeneinander stehenden Mannschaften. Wenn sich am Ende der Meisterschaft die Stimmen zu einem synchronen und energetischen Klangteppich verweben, ist darin der aggressive Kampf wie das friedliche Miteinander aller eingelagert. Küntzels Installation, in der sich auditive, plastische und performative Motive bündeln, ist charakteristisch für das Werk des Künstlers, das sich nicht von Gattungsgrenzen einschränken lässt.
Den kontemplativen ersten Part des Küntzel-Projektes ergänzt ein interaktiver zweiter Part. Auch deren installativen Dispositive fungieren als Referenten, die auf die Kräfte des Fußballereignisses verweisen. Ohne direkte Spiegelung ist der Fußball kritisch darin aufgehoben. Küntzels »Schlafröhre« bietet dem durch die Wettkämpfe psychisch gestressten Besucher eine temporäre Rückzugsmöglichkeit, die zugleich Temperatur und Temperament der Wettkämpfe charakterisiert. Küntzels »Blutdruck-Messstation« verweist auf die emotionale Belastung, welcher der Fan während der Spiele ausgesetzt ist. Und Küntzels »Defibrillator«, ein mobiles Gerät zur akuten Behandlung von Herzinfarkten, rückt den Ernstfall eines möglichen breakdown des Fans noch stärker vor Augen.
Die installativen Dispositive des zweiten Parts nennt der Künstler in seiner Projektbeschreibung Maßnahmen zur Instandhaltung des Klangkörpers Fan. Die sanfte Ironie, die in der Etikettierung des Fans als »Klangkörper« liegt, macht seine künstlerische Strategie deutlich. Die per Mikrophon in den Klangraum geschleusten Geräusche des Blutdrucks der Fans sowie die sprachlichen Anweisungen des »Defibrillators« für den Patienten-Notfall verbinden sich mit den erregten Live-Reportagen der Spiele zu einer eindrucksvollen akustischen Collage, in der die Leidenschaften der Akteure ebenso aufgehoben sind wie die der Zuschauer. So gelingt Tilman Küntzel mit seinem »Klangraum« das Kunststück, Glanz und Elend des Fußballs synästhetisch zu verdeutlichen und zu verdichten.