Alvin Curran | cv |
Gardening with John 2005 Exhibition
Akademie der Künste am Hanseatenweg
Ein Gartenschuppen, zwei »unsichtbare« Flachlautsprecher, StereoVerstärker, im Fußboden versteckte Schalter und etwa 40 MP3-Tracks von zufällig ausgewählten Klängen, die im Schuppen von den Füßen der Besucher ausgelöst werden können.
Auftragswerk der Galerie Arnolfini in Bristol für die Ausstellung Playing John Cage in Bristol 2005 [Kurator: David Toop, technische Realisation: David Hunt]. In Zusammenarbeit mit SoundArtMuseum — Radioartemobile,Rom.
Ein Gartenschuppen, zwei »unsichtbare« Flachlautsprecher, StereoVerstärker, im Fußboden versteckte Schalter und etwa 40 MP3-Tracks von zufällig ausgewählten Klängen, die im Schuppen von den Füßen der Besucher ausgelöst werden können.
Auftragswerk der Galerie Arnolfini in Bristol für die Ausstellung Playing John Cage in Bristol 2005 [Kurator: David Toop, technische Realisation: David Hunt]. In Zusammenarbeit mit SoundArtMuseum — Radioartemobile,Rom.
Viel wurde schon über John Cage geschrieben, so dass es mir überflüssig
erscheint, dem noch mehr hinzuzufügen. Dennoch, ob in einem ganz normalen
Gespräch, im Unterricht oder in meinen Träumen: bis jetzt gab
es kaum eine Gelegenheit, in der ich nicht John Cage erwähne. Ich freue
mich, ihn gekannt und mit ihm zusammen gearbeitet zu haben; er war einer
der zahlreichen Mentoren, die ich das Glück hatte kennen zu lernen
und mit ihnen zusammen zu arbeiten: Elliott Carter, Giacinto Scelsi, Morton
Feldman, Earle Brown, Cornelius Cardew, Steve Lacy, Julian Beck, Pauline
Oliveros, Anthony Braxton – ich hatte sogar die Ehre, Stravinsky,
Varèse, Nono, Berio und Xenakis zu treffen. Unter all diesen wurde
Cage zu einem Freund, mit dem ich stundenlang Gespräche führte,
Musik machte, aß und trank. Dass Visionäre eben Visionäre
sind, dessen versichern sie dich ständig. Genau das macht sie ja zu
Visionären. Darum achten wir mit Ohren und Augen stets weiter auf sie,
wenn sie von einem Abgrund zum anderen mäandern.
Mein erstes Treffen mit Cage fand in den frühen 60er Jahren in der Yale University statt; er war von der Philosophischen Fakultät zu einem Konzert eingeladen worden (die Musik-Fakultät hatte sich geweigert). Er war so unglaublich wie erwartet, und seine Musikperformance für 10 Plattenspieler gibt mir bis heute zu denken. Unvergessen: sein bodenlanger Ledermantel aus den 30er Jahren, den er damals trug. Ich kaufte mir später auf einem römischen Flohmarkt selbst einen. Soviel zur Attraktion des Secondhand-Looks innerhalb der Avantgarde.
Kurz nach John Cages Tod 1992 kaufte ich in einem kleinen Laden in Genzano außerhalb von Rom Gemüse ein. Eine Freundin, die ich lange nicht gesehen hatte, kam herein, und ohne ein Wort zu sagen, ging sie auf mich zu, umarmte mich und bekundete mir ihr Beileid zu Johns Tod. Diese Erfahrung, in einem kleinen italienischen Vorort, hat mich immer beeindruckt. Und ich fragte mich, wer in den Weiten der amerikanischen Provinz würde einem so im Vorübergehen auf vergleichbare Weise sein Mitleid ausdrücken …, aber das wird sicher auch dort passieren!
1999 beauftragte mich Klaus Schöning, Begründer des »Studios für Akustische Kunst« am WDR in Köln, ein Klangportrait von John Cage zu machen. Keine einfache Aufgabe. Der für John Cage typischste Klang schien mir sein Lachen zu sein. Er lachte ständig und laut, fand ZenAbsurditäten in fast allen Dingen. Diese Arbeit wurde der Schlussteil eines sechsteiligen Werkes mit dem Titel Erat Verbum und heißt jetzt Erat Verbum John mit John Cages Lachen.
Ich benutzte dort Samples seines Lachens, die aus einem Rundfunkgespräch mit Morton Feldman beim Sender WBAI von Mitte der 60er Jahre stammten. Mit Laura Kuhns Hilfe bekam ich Zugang zu Cages Loft, in dem Merce Cunnigham immer noch lebt. An einem warmen Frühlingstag nahm ich dort alles auf, was ich inner und außerhalb des Apartments fand: Gebäude, Straßen, den Klatsch mitten in dem geschäftig belebten Chelsea-District von New York City, Straßenlärm, quietschende Busbremsen, Polizei und Feuerwehr-Sirenen. Einmal fragte ich John, wie er diesen Lärm nur ertragen könne. Er erwiderte, er liebe ihn, er wäre wie eine sich kontinuierlich entwickelnde Symphonie. Ich fügte noch eine Menge anderer Klänge hinzu: Klänge vom Schachspielen, vom Vorbereiten und Kochen von Pilzen, vom Laufen auf dem knarrenden Holzfußboden des Lofts bis zu den Geräuschen der tanzenden Körper der Cunningham Dance Company während einer Probe und von Merce, wie er pfeift. Obendrein kam noch eine Version von Oh Johnny dazu, die ich selbst auf einem hastig präparierten Klavier spielte. Meine Klanginstallation Gardening with John – ursprünglich eine britische Telefonzelle, jetzt ein einfacher Werkzeugschuppen – basiert teilweise auf einigen dieses originalen Erat-Verbum-Materials, frei ergänzt durch ausgewählten Klänge aus meinem Archiv. Per Zufallsgenerator werden diese Klänge aus der Datenbank ausgewählt, was eine intentional angelegte Folge oder Komposition verhindert. Cage hat mutig und auf geniale Weise die richtigen Fragen gestellt. Diejenigen von uns, die seine Musik ernst nehmen, sind immer noch damit beschäftigt, nach Antworten Ausschau zu halten, was wiederum zu gänzlich neuen Fragen führen könnte. [Alvin Curran, Rom, 10. Oktober 2005]
Mein erstes Treffen mit Cage fand in den frühen 60er Jahren in der Yale University statt; er war von der Philosophischen Fakultät zu einem Konzert eingeladen worden (die Musik-Fakultät hatte sich geweigert). Er war so unglaublich wie erwartet, und seine Musikperformance für 10 Plattenspieler gibt mir bis heute zu denken. Unvergessen: sein bodenlanger Ledermantel aus den 30er Jahren, den er damals trug. Ich kaufte mir später auf einem römischen Flohmarkt selbst einen. Soviel zur Attraktion des Secondhand-Looks innerhalb der Avantgarde.
Kurz nach John Cages Tod 1992 kaufte ich in einem kleinen Laden in Genzano außerhalb von Rom Gemüse ein. Eine Freundin, die ich lange nicht gesehen hatte, kam herein, und ohne ein Wort zu sagen, ging sie auf mich zu, umarmte mich und bekundete mir ihr Beileid zu Johns Tod. Diese Erfahrung, in einem kleinen italienischen Vorort, hat mich immer beeindruckt. Und ich fragte mich, wer in den Weiten der amerikanischen Provinz würde einem so im Vorübergehen auf vergleichbare Weise sein Mitleid ausdrücken …, aber das wird sicher auch dort passieren!
1999 beauftragte mich Klaus Schöning, Begründer des »Studios für Akustische Kunst« am WDR in Köln, ein Klangportrait von John Cage zu machen. Keine einfache Aufgabe. Der für John Cage typischste Klang schien mir sein Lachen zu sein. Er lachte ständig und laut, fand ZenAbsurditäten in fast allen Dingen. Diese Arbeit wurde der Schlussteil eines sechsteiligen Werkes mit dem Titel Erat Verbum und heißt jetzt Erat Verbum John mit John Cages Lachen.
Ich benutzte dort Samples seines Lachens, die aus einem Rundfunkgespräch mit Morton Feldman beim Sender WBAI von Mitte der 60er Jahre stammten. Mit Laura Kuhns Hilfe bekam ich Zugang zu Cages Loft, in dem Merce Cunnigham immer noch lebt. An einem warmen Frühlingstag nahm ich dort alles auf, was ich inner und außerhalb des Apartments fand: Gebäude, Straßen, den Klatsch mitten in dem geschäftig belebten Chelsea-District von New York City, Straßenlärm, quietschende Busbremsen, Polizei und Feuerwehr-Sirenen. Einmal fragte ich John, wie er diesen Lärm nur ertragen könne. Er erwiderte, er liebe ihn, er wäre wie eine sich kontinuierlich entwickelnde Symphonie. Ich fügte noch eine Menge anderer Klänge hinzu: Klänge vom Schachspielen, vom Vorbereiten und Kochen von Pilzen, vom Laufen auf dem knarrenden Holzfußboden des Lofts bis zu den Geräuschen der tanzenden Körper der Cunningham Dance Company während einer Probe und von Merce, wie er pfeift. Obendrein kam noch eine Version von Oh Johnny dazu, die ich selbst auf einem hastig präparierten Klavier spielte. Meine Klanginstallation Gardening with John – ursprünglich eine britische Telefonzelle, jetzt ein einfacher Werkzeugschuppen – basiert teilweise auf einigen dieses originalen Erat-Verbum-Materials, frei ergänzt durch ausgewählten Klänge aus meinem Archiv. Per Zufallsgenerator werden diese Klänge aus der Datenbank ausgewählt, was eine intentional angelegte Folge oder Komposition verhindert. Cage hat mutig und auf geniale Weise die richtigen Fragen gestellt. Diejenigen von uns, die seine Musik ernst nehmen, sind immer noch damit beschäftigt, nach Antworten Ausschau zu halten, was wiederum zu gänzlich neuen Fragen führen könnte. [Alvin Curran, Rom, 10. Oktober 2005]