[Thom Holmes]:
1984 formierte der Gitarrist Robert Poss (»Band of Susans«) die
Gruppe »Western Eyes«, um für das Label »Trace Elements«
ein Paar schwungvolle Rocksongs aufzunehmen. Poss, mit Verstärkern, Effektgeräten
und Aufnahmetechnik durchaus vertraut, hätte das Album gut und gerne selbst
produzieren können, er bat jedoch seinen Freund Nicolas Collins um diesen
Dienst. Collins hatte in den 70er Jahren an der Wesleyan University bei Alvin
Lucier studiert, einem Pionier der elektronischen Musik, sich mittlerweile aber
selbst als wichtiger Komponist experimenteller Musik mit interaktiver Elektronik
einen Namen gemacht. Ihn als Produzenten eines Rock-Albums anzuheuern war nicht
eben naheliegend, aber die Zusammenarbeit führte zu bemerkenswerten Ergebnissen.
Besonders interessant war, wie Collins das Mischpult einsetzte, um das Gesamtklangbild
der Band zu verändern und auszuformen. »Western Eyes« war eine
Rockband, aber keine Rockband wurde je so abgemischt. Die Aufnahmepegel der
einzelnen Instrumente waren bei jedem Stück radikal anders. Manchmal war
das Schlagzeug im Vordergrund, und der Gesang war kaum zu hören. Manchmal
war die Gitarre oder die Stimme in der Mitte, aber fast nie war die Musik im
konventionellen Sinne abgemischt oder ausgeglichen. Collins experimentierte,
um das Hirn dazu zu bringen, gewohnte Klänge auf interessante neue Weise
zu hören.
Etwas wie »Western Eyes« hatte ich noch nie gehört, und das
gilt auch für alle mir bekannten Solostücke von Collins. Selbst im
Kontext der allerexperimentellsten Formen amerikanischer Musik findet er immer
noch eine lose Ecke im Teppich, ungenutztes Terrain, eine weitere Nuance musikalischer
Erfahrung, die zuvor nicht wirklich ausgelotet worden ist. Als Universitätsdozent
und Leiter des Klangkunst-Abteilung der School of the Art Institute of Chicago
repräsentiert er die nächste Generation amerikanischer Komponisten/Bastler,
die von Lucier, David Tudor und David Behrman gelernt haben, ihre elektronischen
Instrumente selbst zu bauen. Collins unterrichtet »Hardware Hacking«
und hat dazu das Handbuch Handmade Electronic Music: The Art of Hardware Hacking
(2006) verfasst, ein Standardwerk in vielerlei Hinsicht. In der Geschichte jeder
Kunst kommt es zuweilen vor, dass eine ihrer Schlüsselfiguren die ihrem
Medium zugrunde liegende Konstruktion in Worte fasst. Genau dies tut Collins,
nicht nur mit seinem Buch, sondern auch in seinem fortlaufenden Schaffen, für
die Entwicklung einer Performance-orientierten elektronischen Musik und Installationskunst.
Sled Dog, modifiziertes CD-Abspielgerät zum manuellen Scratching
© Simon Lonergan