[Joanna Dudley]:
Ich bin ein schöpferischer Mensch und eine Musiktheater-Performerin. Um
eine Geschichte zu erzählen, verwende ich in der Hauptsache Klang. Form
und Inhalt eines Werkes hängen davon ab, wie ich bei der Recherche vorgehe
– ob es um den Pavillon der Hähne auf einer australischen Landwirtschaftsschau,
einen Jodler aus dem Muotal Valley oder um einen 92-jährigen Ukulele-Spieler
geht. Für mich als Australierin zeigt die Geschichte, dass wir in Sachen
Selbsterfindung Rekordhalter sind, und das macht mein Leben in Europa so stimulierend.
An der Schaubühne in Berlin konzipierte und führte ich Werke auf wie
My Dearest My Fairest (zusammen mit Juan Kruz Diaz de Garaio Esnaola) und colours
may fade with friction read instructions carefully store in a cool and dry place
no side effects (zusammen mit Esnaola und Rufus Didwiszus), in Sidi Larbi Cherkaouis
Foi spielte ich eine Beamtin im Sowjet-Stil, in einer Situation wie direkt nach
einer Art World-Trade-Center-Katastrophe.
Mir gefällt es, Zeuge und Erzähler der privaten und intimen Momente
zu sein, in denen Menschen nur sehr wenig tun oder sich auf eine Aufgabe konzentrieren,
unabhängig davon, ob es verständlich ist. Wenn man Menschen beobachtet,
hört man Musik, sieht den Sinn und auch das rituelle Moment darin, und
man stößt auf Bühnencharaktere, an die man glauben kann.
[aus: Joanna Dudley: »The Gaze Concentrated and The Ears Open«,
Contemporary Theatre Review 14, Heft.1, Februar 2004, S. 89–105]
coulours may fade with friction read instructions carefully store in a cool and dry place no side effects 2004, Foto © Alex Gnaedinger