Zu Christina Kubisch | essay | cv |
Es gibt ein Gemeinsames in den Arbeiten: Christina Kubisch rückt bekannte Räume, Dinge oder Ereignisse in die Ferne, um sie uns nahe zu bringen. Dabei bedient sie sich oft einer doppelten Dialektik. Denn das Verrücken geschieht oft so, dass sie uns eine Ansicht präsentiert, die sich leicht in die gängigen Wahrnehmungsschemata einfügt. Lautsprecher, die optisch an Naturerscheinungen oder Bilder erinnern, Klänge, gar Sprache, die gar nicht elektronisch wirken. Es wird etwas präsentiert, auf das man sich einlassen muss, um Reflexivität und Beunruhigung zu erfahren. Eine wichtige Inspirationsquelle sind Räume und Orte, die öffentlich/historisch oder alltäglich sein können, die wir aber gar nicht wahrnehmen, selbst dann nicht, wenn es Orte des Gedenkens sein sollten […] Es gibt zwei Arten von Evidenz in den Arbeiten von Christina Kubisch, mit ihrer fernen Nähe und nahen Ferne: eine optisch-akustische Präsenz von handwerklich-präziser neuer Raumgestaltung, eine Gegenwart von Kunst. Aber neben dieser Evidenz des Gegenwärtigen ereignet sich auch eine Vergegenwärtigung: presence und presentness. Letzteres ist nicht nur das Gegenwärtigsein historischer Spuren in einem Glockenturm beispielsweise, sondern der gleichzeitige Bezug zu meiner subjektiven Wahrnehmung. Subjektive Vergegenwärtigung, Nähe und Ferne, ergeben sich nur in meiner Anschauung. Im komplizierten Wechselspiel von Nähe und Ferne gewinnt die Kunst wieder etwas, was man verloren glaubte: nämlich den Glanz einer Aura.
[ Helga de la Motte-Haber, Auszug aus der Eröffnungsrede der Ausstellung »Dreiunddreißig Felder«, singuhr – hœrgalerie in parochial, Berlin 2002]