Farben Berlin 2006 [Melanie Uerlings]:
Die Installation Farben ist ein subtiles Wechselspiel mit den Erscheinungen
der uns umgebenen Welt auf der Ebene sinnlicher Erfahrung. Ihr Ausgangspunkt
ist der öffentliche Raum mit seinen Klängen und Geräuschen, in
seiner architektonischen, sozialen, funktionalen und rhythmischen Struktur.
Dieses sind die »Farben« bzw. Charakteristika, aus denen Sam Auinger
und Hannes Strobl die Sprache ihrer Komposition für den konkreten Raum
entwickeln. Die akustischen Ereignisse der Umgebung und vor Ort eingespielte
musikalische Sequenzen dienen als Klangmaterial. Sie bestimmen den zeitlichen
Verlauf und die räumliche Gestalt der Komposition. Die Strategie der Installation
ist es, einen stetigen Dialog zwischen Realität und Imagination zu führen
und eine offene Interaktion zwischen der »äußeren« Welt
und der Welt »innerer« Vorstellungen und Empfindungen zu ermöglichen.
Das klangliche Geschehen der Umwelt, das an jedem Ort ganz bestimmte Merkmale
und Eigenschaften hat – es ist laut oder leise, hell oder dunkel, impulsiv
oder verrauscht, klar oder diffus –, wird in der Konzeption der Installation
Farben zu einem Instrument. Der direkte Kontakt, das Einfangen seiner Stimmungen
und Eigenheiten sowie eine genaue Analyse offenbaren dessen Spielarten. Das
Pulsieren der Stadt, der »Atem« des Ortes wird in der Installation
in einen poetischen und musikalischen Raum überführt, der die sinnliche
Wahrnehmung in den Vordergrund rückt. Der hier entstandene »ästhetische«
Raum, »intoniert« von Intuition, Emotion und dem leiblichen Befinden,
wird selbstverständlicher Teil der Klangumgebung. »Das Soundenvironment
wird zum Instrument, das Instrument zum Soundenvironment«, so tamtam.
Die großen, scheinbar unvereinbaren Gegensätze der städtischen
Metropole – hier, das Nebeneinander des stetigen Lärms vorüberfahrender
Autos, des Rauschens der hoch frequentierten Hauptverkehrsstraße am Alexanderplatz
einerseits und der Ruine der Franziskaner-Klosterkirche andererseits, eines
Raums der Kontemplation und des Gedenkens – werden dabei so miteinander
verknüpft, dass sie in einer das individuelle Subjekt betreffenden Weise
erfahrbar werden und dem Gefühl von Identität nicht im Wege stehen.
Der Ort selbst wird mit dem »Sich-Befinden« in Beziehung gesetzt.
Die Stadt, ihre Geschichte, ihre architektonische Entwicklung, ihre gesellschaftliche
Funktion und ihre resultierenden »Verlautbarungen« werden als ein
Teil unserer selbst thematisiert. Die »Farben« unserer Umwelt sind
nicht nur abstrakte Zeichen und Signale, die der Orientierung dienen, sie sind
kein System, dem wir uns bewusstlos fügen mögen. Farben haben, wie
die Installation von Sam Auinger und Hannes Strobl, ein breites Spektrum und
sind an ein komplexes Wechselspiel der Wahrnehmung gebunden, an das Licht, das
sie erscheinen und verschwinden lässt.
Mauerpark 2006, Videostill, Foto © Dietmar Offenhofer