Zu Maurice van Tellingen | essay | cv |
Diese Arbeit ist typisch für Maurice van Tellingens Gesamtwerk. Das Interieur ist eines seiner zentralen Themen. Es manifestiert sich in seinen Arbeiten in Form von Peepshow-artigen Boxen. Maurice van Tellingen bezeichnet diese Miniatur-Interieurs lieber als dreidimensionale Gemälde. Sie können durchaus mit der Genre-Malerei des 17. Jahrhunderts verglichen werden. Dieser Vergleich stellt ihn in die holländische Tradition der Innenraum-Malerei, aber während die Innenansichten eines Johannes Vermeer und eines Pieter de Hoogh bewohnt sind, sind die von van Tellingen menschenleer. Nichtsdestoweniger kann man die Präsenz von Menschen in seinen Interieurs fühlen, durch den subtilen Gebrauch von Licht und Klang, die weder eine natürliche noch eine übernatürliche Quelle haben, sondern eindeutig von Menschen verursacht sind.
Zeigt uns Maurice van Tellingen etwas, das den Anschein von Wahrheit hat –
was eine streng religiöse Konnotation wäre – oder versucht er
einfach sachlich und nüchtern Realität nachzuahmen? Vielleicht ist
aber in seinem Werk beides ineinander verschränkt. Mir kommt in diesem
Zusammenhang der Begriff presentia realis in den Sinn, der sich auf griechisch-orthodoxe
Ikonen bezieht. Ikonen, die Christus oder die in der griechisch-orthodoxen Kirche
geheiligten Apostel darstellen und die durch die Darstellung als wirklich anwesend
betrachtet werden. Auch der Gedanke an Platons Höhlengleichnis liegt nahe,
was uns zu einer etwas tiefer greifenden Betrachtung führt. Erkennen wir
die Realität oder sehen wir nur den Schatten, das Derivat einer höheren
Realität?
Wissen wir heute, was Realität ist? Gibt es nur eine Realität oder hat jeder Mensch seine eigene? In welchem Umfang kann Realität überhaupt imitiert werden? Der beste Weg, ein im Wesentlichen nicht greifbares Phänomen wie die Realität zu erfassen, ist ein maßstabsgetreues Modell davon zu bauen – oder es zumindest zu versuchen. In der Architektur vertraut man auf Modelle, um die Struktur und räumlichen Charakteristika eines Gebäudes zu klären. Das maßstabsgetreue Modell ist kompakter und liefert ein besseres Gesamtbild als das Gebäude selbst, das man nicht auf einen Blick überschauen kann.
Auch wenn Maurice van Tellingen sich selbst lieber einen dreidimensionalen Maler nennt, sehe ich ihn eher in der Tradition der Architektur. Für mich ist er mehr ein Architekt der Realität; jedes Mal, wenn man seine Arbeiten betrachtet und hört, zwingt er einen, neue persönliche Realitäten zu konstruieren – im eigenen Kopf. Und hat nicht da die Realität ihren Sitz, irgendwie? [Flos Wildschut in: Maurice van Tellingen, selected works 2001–2004, Werkkatalog, Amsterdam 2004]
Wissen wir heute, was Realität ist? Gibt es nur eine Realität oder hat jeder Mensch seine eigene? In welchem Umfang kann Realität überhaupt imitiert werden? Der beste Weg, ein im Wesentlichen nicht greifbares Phänomen wie die Realität zu erfassen, ist ein maßstabsgetreues Modell davon zu bauen – oder es zumindest zu versuchen. In der Architektur vertraut man auf Modelle, um die Struktur und räumlichen Charakteristika eines Gebäudes zu klären. Das maßstabsgetreue Modell ist kompakter und liefert ein besseres Gesamtbild als das Gebäude selbst, das man nicht auf einen Blick überschauen kann.
Auch wenn Maurice van Tellingen sich selbst lieber einen dreidimensionalen Maler nennt, sehe ich ihn eher in der Tradition der Architektur. Für mich ist er mehr ein Architekt der Realität; jedes Mal, wenn man seine Arbeiten betrachtet und hört, zwingt er einen, neue persönliche Realitäten zu konstruieren – im eigenen Kopf. Und hat nicht da die Realität ihren Sitz, irgendwie? [Flos Wildschut in: Maurice van Tellingen, selected works 2001–2004, Werkkatalog, Amsterdam 2004]