Über Achim Wollscheid [Brandon LaBelle]:
Achim Wollscheid verstärkt die Beziehung zwischen Innen und Außen,
dem Öffentlichen und dem Privaten, indem er diese Verhältnisse als
Interfaces zwischen Kunstobjekt (Klang) und Hörerschaft einbaut. Eines
seiner Projekte, ein von den Architekten Gabi Seifert und Goetz Stoeckmann speziell
entworfenes Haus in Gelnhausen, zeigt beispielhaft seine Art der Transformation
von Architektur und Klang in ein komplexes Verhältnis. Die Arbeit ist an
der Fassade und an beiden Seiten des Gebäudes installiert und besteht aus
Lautsprechern und Mikrophonen, die jeweils korrespondierend an den Innen und
Außenseiten der Mauern angebracht sind. Da die Außenmikrophone mit
den Innenlautsprechern verbunden sind und die Innenmikrophone mit den Außenlautsprechern,
wird der Außenklang auf der Innenseite verstärkt und der Innenklang
auf der Außenseite. In diesem Prozess werden die Klänge über
ein Computerprogramm verarbeitet, das die als Informationen aufgefassten Klänge
in musikalische Töne übersetzt. Durch diese gleichsam phänomenologische
Einspeisung ins elektronische Äquivalent entsteht ein Relais zwischen Straße
und Wohnzimmer, die den architektonischen Imperativ der Außen-Innen-Trennung
durchkreuzt. Zusätzlich wird der Hörer als Einfluss nehmender und
mit-entscheidender Input eingeführt, denn die Klänge können durch
Personen im Haus manipuliert werden: Die Bewohner können die Lautstärke
nach oben drehen, den Grad der Transformation regulieren oder alles ausschalten,
wie bei einer Stereoanlage auch. Wollscheids Projekt ist eine Einladung an das
Geräusch und seine potentielle Unterbrechung.
[Aus: Brandon Labelle: »Short Circuit: Sound Art and The Museum«,
in: Contemporary 53/54, London 2003]