Zu Artur Zmijewski | essay | cv |
Artur Zmijewski (geb. 1966 in Warschau, lebt und arbeitet
dort) wurde unter anderem durch die fotografische Darstellung von Menschen
bekannt, deren fehlende Gliedmassen durch diejenigen von gesunden Menschen
ersetzt wurden (An Eye for an Eye, 1998). Anfang der Neunziger Jahre besuchte
Artur ZÓmijewski (z. B. mit Pawel Althamer und Katazyna Kozyra) das Meisteratelier
des Künstlers und Professors Grzegorz Kowalski an der Bildhauerfakultät
der Warschauer Akademie der Künste. Nach bildhauerischen Arbeiten wendete
sich ZÓmijewski bereits Mitte der Neunziger Jahre der Fotografie und dem Film
zu. Thematisch beschäftigt sich der Künstler mit der Darstellbarkeit
normabweichender Körperlichkeiten (physisch/psychisch), zeigt ein Interesse
an der Erzählung subjektiver Lebenswirklichkeit, der Visualisierung von
menschlichen Emotionen wie Scham und Verwundbarkeit und testet immer wieder
die Überschreitung der individuellen Intimsphäre aus. Zmijewski
beschäftigt sich auch mit der Thematik des kollektiven Gedächtnisses,
zum Beispiel mit dem Umgang des Holocausts in Polen.
In den Projekten Zmijewskis kommen Menschen zu Wort und vor die Kamera, die kaum oder selten am öffentlichen Leben teilnehmen: Taubstumme Jugendliche singen Kantaten von Johann Sebastian Bach (Singing Lesson 2, 2002), Parkinsonkranke berühren sich zärtlich (The Art of Loving, 2000), Querschnittsgelähmte stehen und gehen mit Hilfe eines intakten zweiten Menschen (Out for a Walk, 2001), Szenen von körperlich und geistig behinderten Kindern werden abwechselnd mit Tieraufnahmen aus einem Zoo zusammengeschnitten (Botanical Garden, 1997). Der Körper als Zeichenträger/Medium ist ein wiederkehrendes Sujet: Aids wird in nackte aufeinanderschlagende Körper übersetzt (Me and Aids, 1996), nackte Frauen und Männer spielen Fangen in einem Keller und in einer ehemaligen Gaskammer (Game of the Tag, 1999) oder er filmt marschierende Soldaten zunächst in Uniform und anschließend nackt im Gleichschritt in einem Ballettsaal (KR WP, 2000). Für die dem Holocaust inhärente Erinnerungsproblematik findet der Künstler unterschiedliche Heransgehensweisen: Ein 92-jähriger ehemaliger Auschwitz-Gefangener lässt sich seine Lagernummer neu tätowieren (80064, 2004) oder nach Israel ausgewanderte polnischstämmige, ältere Juden singen aus ihrem Gedächtnis Lieder aus ihrer Kinder- und Jugendzeit (Our Songbook, 2003).
Mit seinen filmischen und fotografischen Arbeiten bewegt sich Zmijewski zwischen Dokumentarfilm und Erzählung, zwischen Reportage und Fiktion. Er ist ein zurückhaltender Beobachter, der menschliches Verhalten unter psychologischen und soziologischen Fragestellungen beschreibt und erzählen lässt. Zeitungsinserate dienen dem Künstler häufig als Hilfsmittel, um freiwillige HauptdarstellerInnen zu finden, die er für seine Filme beobachtet, in eine verabredete Situation entlässt und dadurch herausfordert. Somit fungiert der Künstler einerseits als soziologischer Katalysator gesellschaftlicher Moment-Aufnahmen und verbirgt seine Beobachtungen andererseits hinter dem Dokumentarfilm als vermeintlich objektive Instanz. Der Betrachter wird immer wieder mit dem Modell der polaren Vorstellungen konfrontiert. Zmijewski eröffnet streitbare Felder, die bei den BetrachterInnen emotionale Reaktionen auslösen, die zwischen Ablehnung und Faszination wechseln und einen Perspektivenwechsel provozieren und somit die eigene Position hinterfragt. [Cynthia Krell]
In den Projekten Zmijewskis kommen Menschen zu Wort und vor die Kamera, die kaum oder selten am öffentlichen Leben teilnehmen: Taubstumme Jugendliche singen Kantaten von Johann Sebastian Bach (Singing Lesson 2, 2002), Parkinsonkranke berühren sich zärtlich (The Art of Loving, 2000), Querschnittsgelähmte stehen und gehen mit Hilfe eines intakten zweiten Menschen (Out for a Walk, 2001), Szenen von körperlich und geistig behinderten Kindern werden abwechselnd mit Tieraufnahmen aus einem Zoo zusammengeschnitten (Botanical Garden, 1997). Der Körper als Zeichenträger/Medium ist ein wiederkehrendes Sujet: Aids wird in nackte aufeinanderschlagende Körper übersetzt (Me and Aids, 1996), nackte Frauen und Männer spielen Fangen in einem Keller und in einer ehemaligen Gaskammer (Game of the Tag, 1999) oder er filmt marschierende Soldaten zunächst in Uniform und anschließend nackt im Gleichschritt in einem Ballettsaal (KR WP, 2000). Für die dem Holocaust inhärente Erinnerungsproblematik findet der Künstler unterschiedliche Heransgehensweisen: Ein 92-jähriger ehemaliger Auschwitz-Gefangener lässt sich seine Lagernummer neu tätowieren (80064, 2004) oder nach Israel ausgewanderte polnischstämmige, ältere Juden singen aus ihrem Gedächtnis Lieder aus ihrer Kinder- und Jugendzeit (Our Songbook, 2003).
Mit seinen filmischen und fotografischen Arbeiten bewegt sich Zmijewski zwischen Dokumentarfilm und Erzählung, zwischen Reportage und Fiktion. Er ist ein zurückhaltender Beobachter, der menschliches Verhalten unter psychologischen und soziologischen Fragestellungen beschreibt und erzählen lässt. Zeitungsinserate dienen dem Künstler häufig als Hilfsmittel, um freiwillige HauptdarstellerInnen zu finden, die er für seine Filme beobachtet, in eine verabredete Situation entlässt und dadurch herausfordert. Somit fungiert der Künstler einerseits als soziologischer Katalysator gesellschaftlicher Moment-Aufnahmen und verbirgt seine Beobachtungen andererseits hinter dem Dokumentarfilm als vermeintlich objektive Instanz. Der Betrachter wird immer wieder mit dem Modell der polaren Vorstellungen konfrontiert. Zmijewski eröffnet streitbare Felder, die bei den BetrachterInnen emotionale Reaktionen auslösen, die zwischen Ablehnung und Faszination wechseln und einen Perspektivenwechsel provozieren und somit die eigene Position hinterfragt. [Cynthia Krell]